Reisebericht Ukraine

Liebe Freundinnen, Freunde und Förderer*innen der Medizinhilfe,

wir berichten Ihnen und Euch direkt von unserem aktuellen Besuch aus der Ukraine. Trotz oder gerade wegen des aktiven Krieges ist es wichtig, unsere Freunde, Kollegen, das Team und die Gemeinde persönlich zu besuchen. Es ist eine bewegende 20. Reise von Martina Scheufler nach Munkacs. Durch die politischen Fragen von Claudia Borowski als ehrenamtliche Hanauer Stadträtin und christliche Gedanken von Andreas Thienert erhalten die ungewöhnlich offen geführten Gespräche mit unseren Gastgebern und bei den Besuchen eine besondere Intensität.

Nach einer nur 16-stündigen Fahrt über 1.450 km – inklusive dem oft kompliziertem Grenzübertritt von Ungarn in die Ukraine ­- erreichten wir durch eine besondere Begleitung unser Ziel in Mukachevo: das Christian Medical Center neben Kirche und Gemeindehaus, der Unterkunft für die fünf Tage unseres Besuches. Sonntagmorgen besuchten wir den Gottesdienst der ungarisch-reformierten Gemeinde. Auffallend war, dass – im Gegensatz zu den mehr als 25 vorherigen Jahren – die Anwesenden ärmer gekleidet waren und erschöpfter wirkten als früher. Weiter waren nur wenige Männer im Gottesdienst anwesend.

Wir hatten die Gelegenheit in der Kirche ein paar Worte zu sagen. Claudia Borowski überbrachte als ehrenamtliche Stadträtin die Grüße des Magistrats der Stadt Hanau und berichtete von dem Angebot der Stadt Hanau eine Projektpartnerschaft mit der Stadt Mukachevo einzugehen. Andreas Thienert sagte als Mitarbeiter der evangelischen Stadtkirchengemeinde Hanau allen Teilnehmenden die herzlichen Grüße der Kirchengemeinden. Martina Scheufler berichtete von der Erweiterung unserer medizinischen Hilfe auf die gesamte Ukraine, wobei sie auch im Namen des Leitungsteam der Medizinhilfe versprach, dass der Schwerpunkt der Arbeit immer das Medical Center bleibt. Die Dankbarkeit für diese klaren Worte war sichtlich groß. Nach dem Gottesdienst erklärte sie den Zuhörerinnen und Zuhörern anhand der beispielhaften Fotos des neu entwickelten Roll-Up, wie unsere Hilfe konkret stattfindet und aussieht.

Da wir immer wieder gehört haben, in Transkarpathien sei doch kein Krieg, weil keine Bomben fallen, haben wir einen örtlichen Friedhof besucht. Die große Anzahl der frischen mit der ukrainischen Flagge versehen Gräber und die Fotos der Männer war mehr als bedrückend.

Am Montagvormittag besuchten wir nun das zweite Mal seit 2022 die staatliche Universität Mukachevo und führten unseren Dialog mit der Rektorin Tetjana Scherban und ihren Stellvertretern Volodymyr Hoblik und Vasyl Kobal fort. Auf das Tragen von Titeln wird in der Ukraine ganz verzichtet. Wir versuchen aufbauend für die Projektpartnerschaft zwischen Hanau und Mukachevo Praktika von vier Wochen für die Studierenden der Universität, vielleicht sogar schon ab Frühjahr 2024, zu initiieren. Aufgrund des Krieges dürfen keine männlichen Studenten das Land verlassen und bislang gibt es nur wenige Studentinnen mit ausreichenden Deutschkenntnissen. Falls die Praktika in englischer Sprache möglich sind, kämen zahlreiche Studentinnen und Doktorandinnen infrage. Das Portfolio der Universität Mukachevo ist breit gefächert, da erst vor wenigen Jahren aus verschiedenen Hochschulen in der Stadt eine gemeinsame Universität gegründet wurde. Das Spektrum geht u.a. von Finanzen, Management inklusive Logistik, Steuern, Wirtschaft und Marketing über Pädagogik mit den Schwerpunkten Grundschulen und Kindertagesstätten bis zu Psychologie, Mathematik und Ingenieurwissenschaften mit den Schwerpunkten der Energieersparnis und der Leichtindustrie.  Nachmittags besuchten wir das Städtische Krankenhaus in Mukachevo mit ihrem erst 35 Jahre alten Chefarzt Jevhen Meshko, einem Arzt für Allgemeinmedizin. Martina Scheufler war der Besuch dieser Klinik wichtig, die wir bereits seit 1996 immer wieder mit medizinischen Hilfsgütern unterstützen – zuletzt Anfang 2023 mit Desinfektionsmitteln. Nun ist die Klinik damit sowie mit allen Masken für lange Zeit gut ausgestattet. Aktuell verfügt die Klinik über 540 Betten und ist durch den ukrainischen Staat modern ausgestattet worden. Seit dem letzten Besuch ca. 2015 hat die Ausstattung ca. 40 Jahre Fortschritt gemacht. Es gibt in der Notaufnahme CT mit Angiographie, 24 Stunden Labor, 24 Stunden Überwachungen mit Monitoren für Herzinfarkte und Schlaganfälle und zentralem Sauerstoff, sowie ausreichend Rollstühle und rollbare Tragen. Die Medizinhilfe hat einige OP-Tische und OP-Lampen angeboten bekommen. Munkacs wäre sehr dankbar, wenn sie diese erhalten könnte. Und auch Instrumente- mal sehen, was wir tun können.

Aber beide staatlichen CT – weder im städtischen Krankenhaus noch in der großen regionalen Kinderklinik – haben zwischen März und August 2023 nicht funktioniert! Alle notwendigen CT wurden im Medical Center – mit dem jetzt 17 Jahre alten, instabilen 1-Spiral-CT durchgeführt. Pal Oroszi, einer der beiden Chefärzte „unseres“ Medical Center, beschrieb wie die Krankenwagen mit den Patienten mit frischen Schlaganfällen und anderen akuten schweren Erkrankungen, vor dem Medical Center vorfuhren und die Patientinnen und Patienten untersucht wurden. Es waren 20 zusätzliche CT -Untersuchungen täglich notwendig, sodass das CT im Doppelschichtbetrieb gefahren wurde.

Bereits seit einigen Jahren läuft die Planung für ein neues CT-Gerät im Medical Center, aber durch Corona und den direkt anschließenden Krieg sind alle Planungen sehr schwierig. Inzwischen ist klar, dass, um ukrainische Genehmigungen für den Betrieb des CT im Medical Center auch zukünftig zu erhalten, das Gerät in der Ukraine gekauft werden muss. Weiter zeichnet sich ab, dass dafür wahrscheinlich sogar ein neues CT notwendig wird. Finanziell hat das Medical Center den Status einer Firma. Intern wird es wie eine Genossenschaft geführt. Wie ein solches Mammutprojekt unter den aktuellen Gegebenheiten realisiert werden kann, ist noch unklar, wobei es bereits zahlreiche Vorgespräche und Planungen gibt.

Der Betrieb des Medical Center ist durch den Krieg schwieriger geworden. Denn Patienten haben die oft weiten Anreisen nicht mehr gemacht – 200 km einfache Fahrt ist eher die Regel als die Ausnahme. Und auch einige Schwestern, MTA und Ärzte/ Ärztinnen haben inzwischen das Land verlassen.

Am Dienstagmittag entschied Claudia Borowski, dass sie aufgrund bislang nicht gelungener Kontaktaufnahme, das Büro des Bürgermeisters der Stadt Mukachevo Andrii Baloha spontan besucht, um ihm die offiziellen Grüße des Oberbürgermeisters der Stadt Hanau Claus Kaminsky zu überbringen, dennoch kam eine persönliche Begegnung zwischen der Hanauer Stadträtin und dem Munkacser Bürgermeister zustande. Direkt im Anschluss an dieses Gespräch fuhren Claudia und Andreas mit Pal zu der freiwilligen Feuerwehr in Mukachevo, die von einem Pfarrer gegründet und erfolgreich geleitet wird. Vielleicht ergeben sich auch hier Kooperationsmöglichkeiten zwischen den beiden Städten.

Wir sind dankbar für die verschiedenen Begegnungen und freuen uns auf den nächsten Besuch.

Pal Oroszi, Laszlo Vacko
Christian Medical Center, Munkacs

Martina Scheufler
Medizinhilfe Hanau

Claudia Borowski
Ehrenamtliche Stadträtin Hanau 

Andreas Thienert
ev. Stadtkirche Hanau

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